Auszeit

Pokale in der Vitrine, ein Berg von Wurstsemmeln für die Schülerspieler auf der Theke, Currywurst oder Schnitzel mit Pommes für die frischgeduschten Seniorenspieler – solche Assoziationen verbindet man in der Regel mit einer "Sportgaststätte". In vielen Fällen mögen diese Vorurteile längst überholt sein, dank einfallsreicher Wirte, die frischen Wind in miefige Lokale gebracht haben. Was man aus einer Sportgaststätte alles machen kann, lässt sich vorbildlich in der Sportplatzstr. 1 in Höhenkirchen bewundern.

Wer es als Wirt allen recht machen will, macht es am Ende keinem mehr recht, heißt es heutzutage bei allen Gastro-Profis. Ein unverwechselbares Profil muss her, einzigartige Angebote. Claus Dieter Hübsch würde sagen: Wer Erfolg haben will, muss alles anders machen als alle anderen. Wie will man es also den Vereinen und ihren Mitgliedern recht machen, die sich in der Gaststätte nach ihrem Sport wohlfühlen wollen – und gleichzeitig junge Familien mit Kindern zum Essen anlocken? Wie wird man zum Treffpunkt für junge Leute, die sich amüsieren wollen, Musik hören, Cocktails trinken und flirten wollen, ohne gleichzeitig die Kegler und Schützen im Keller zu vergratzen?

Ein schwieriger Spagat ist das allemal, aber er kann gelingen. Und vielleicht haben es die Betreiber der Auszeit gerade deshalb geschafft, weil sie am Anfang über kein dickes Bankkonto verfügt haben, dafür aber über eine Menge Phantasie und Ideen. Dieses Kapital haben sie z. B. in die Ausstattung gesteckt, die ein Sammelsurium von Sportgeräten darstellt. Bälle aller Art, alte Skier, Tennisschläger hängen in Netzen an der Decke. An der Bar nimmt der Gast an einem langen Turnbock Platz. Aufgelockert wird der Gastraum mit unzähligen Pflanzen, abgegrenzt mit alten Turnmatten.

Wer das Lokal betritt, merkt sofort, hier geht's um Sport, aber irgendwie in einer schrägen, sympathischen Form.

Eine einfache und doch geniale Lösung ist den Auszeit-Wirten für die Gestaltung ihrer Fensterfront eingefallen. Jedes Jahr laden sie die Kinder des örtlichen Kindergartens ein, den unteren Teil der Fenster zu bemalen. Hinterher sorgen die "Kleinen" dann schon dafür, dass alle kommen – die Eltern, großen Geschwister, Omas, Opas, Tanten, Onkel, etc., um die Kunstwerke zu bestaunen. Im Nachhinein betrachtet hat dem Betreiber-Trio Elisabeth und Hans Fuchs sowie Martin Amesbichler bestimmt geholfen, dass die drei nicht unbedingt als die Erneuerer der Sportgaststätten-Kultur in die deutsche Gastro-Szene eingehen wollten. "Wir haben einfach nach einem erschwinglichen Objekt mit günstiger Pacht Ausschau gehalten", erzählt Hans Fuchs, "und uns dann überlegt, welches Konzept zu diesem Objekt passt. Ein Tex-Mex-Abklatsch hätte z. B. nicht in diese Umgebung gepaßt."
Unterstützung und Vertrauen in ihre Ideen fanden die jungen Gastronomen nicht nur bei der Gemeinde, sondern auch bei der Ayinger Brauerei. Geschenkt bekommt man günstige Konditionen allerdings nicht. "Man muss in den Verhandlungen halt den Mund aufmachen", so der Tipp von Hans Fuchs. Was Sportler (und nicht nur die) brauchen, ist gesundes, nahrhaftes Essen – deshalb spielt das Essen eine wichtige Rolle in der Auszeit. "Knackige Vitamine" (Salate), "nahrhafte Energie" (vor allem Nudel-Gerichte) und "ofenfrische Kohlenhydrate" (belegte Baguettes) dominieren die Standardkarte (deren Gerichte übrigens auch im Außer-Haus-Verkauf angeboten werden) – dazu gibt's eine kleine, täglich wechselnde Tageskarte. Wert gelegt wird auf Frische und Qualität.
Dieses Angebot ist nicht revolutionär, zielt auch nicht radikal auf die Bio-Schiene ab – ist aber offenbar ungewöhnlich genug, um sich beispielsweise bei jungen Familien herumzusprechen. Nach dem Motto: In der Auszeit gibt's gutes und bekömmliches Essen zu vernünftigen Preisen.

Mit Aktionen neue Gäste gewinnen

Dass sich der Gast in der Auszeit wohlfühlt, hängt wohl auch damit zusammen, dass er sich ernst genommen fühlt. Etwa dank der Speisekarte, die in Form der "AUSZEITUNG" auf den Tisch kommt. Dort sind auf vier Seiten alle Speisen und Getränke aufgeführt, aber auch Infos zur gesunden Ernährung: "Gemüse und Kräuter und alles andere Grünzeug sind der absolute Favorit beim Vorbeugen gegen Krankheiten. Dafür gibt es Gründe: Blätter, Knollen und Wurzeln sättigen auf leichte Art und machen selbst in Riesenmengen nie dick. Ihr hoher Gehalt an Vitaminen und speziellen Farbstoffen (Flavonoiden) schützt vor Herz- und Krebserkrankungen..." Besser kann man dem Gast wohl kaum die Wartezeit bis zum ersten Schluck bzw. Bissen verkürzen. Und natürlich soll jeder Gast diese Speisekarte/Zeitung mit nach Hause nehmen.
Über Höhenkirchen hinaus bekannt geworden ist die Auszeit aber vor allem durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Wie man das schafft? Darauf gibt Hans Fuchs eine simple Antwort: "Mit Aktionen!" Ein Liebesmenü zum Valentins-Tag, ein "Skihütten-Fest" zum Auftakt der Ski-Saison, ein Sommerfest mit Bands, Brunch am Sonntagmorgen, Parties (neudeutsch: Events) bei großen Sportereignissen, die via Großleinwand live mitverfolgt werden können. All das hat der Auszeit ein treues Stammpublikum beschert. Das natürlich gepflegt werden will. Was keine Hexerei ist, wenn man Synergie-Effekte nutzt.

Wetten macht den Gästen Spaß, also durften sie in der Auszeit während der Fußball-WM Tipp-Karten ausfüllen. Bei der Endauslosung winkte dem Gewinner immerhin ein CD-Player. Den Wirten hat diese Aktion eine wunderschöne Gäste-Datei beschert. "Wir haben 2000 Adressen", so Hans Fuchs. "Persönliche Anschreiben zu unseren Aktionen sind unsere wirkungsvollste Werbung." Die Lösung mit dem Trio als Pächter hat sich in der Auszeit glänzend bewährt. All das, was ein Wirt können sollte, kann eine einzelne Person eh' kaum mehr leisten. Deshalb sind sie in der Auszeit zu dritt, die Service- und Graphik-Kanone (Martin Amesbichler), der gelernte Koch und Metzger (Hans Fuchs) und die Finanzexpertin (Elisabeth Fuchs). Zu dritt tut man sich auch leichter, große Aktionen zu organisieren und wichtige Details (etwa einen zugkräftigen, witzigen Namen für's Lokal) nicht zu vergessen.

Was unterm Strich herauskommt, kann sich sehen lassen: Der alte Stammtisch beim Bier und junge Familien mit Kindern brunchen am Sonntagmorgen friedlich nebeneinander oder auch heiße Flirts bei coolen Cocktails am Samstagabend, während unten im Keller fleißig gekegelt wird. Und das alles in einer Sportgaststätte!

 

Dieses Konzept ist erschienen im Gastronomie-Report 03/1996.