Wo man aus dem „ProBieren" nicht mehr rauskommt. Truchtlaching – wo liegt das noch gleich? Dies ist die spannende Geschichte einer Brauereigaststätte, die gar nicht geplant war und bei der schon die Lage gegen einen Erfolg sprach. Und es ist die Geschichte einer genialen Verzahnung, aus der nicht nur die Brauereigaststätte Camba Bavaria in dem 1.400 Seelen-Dorf Truchtlaching hervorgegangen ist, sondern auch die neue Form eines Bier-Lokal, bei dem Bier-Genießer so richtig auf ihre Kosten kommen!
"Wir wollten eigentlich gar keine Gaststätte machen, schon gar nicht in dieser Lage, wo man selbst mit dem Fahrrad kaum hinkommt, geschweige denn mit öffentlichen Verkehrsmitteln", berichtet Markus Lohner, Geschäftsführer der Camba Bavaria Brauerei. "Anfänglich haben wir unsere Räumlichkeiten nur für Veranstaltungen genutzt. Aber nach den Brauereiführungen haben viele Gäste gesagt, dass sie noch ein Bier trinken und was essen möchten." Da kann man ja gar nicht anders, als ihnen ihren Wunsch zu erfüllen.
Am Anfang dieser Geschichte steht das Bier. Oder genauer gesagt: Am Anfang war ein Brauer mit Visionen. Markus Lohner, der einige Jahre als Braumeister im Hofbräuhaus Newport / Kentucky arbeitete, erlebte in den USA den beginnenden Craft Beer Boom und mit welchen Ideen und welcher Power die Amerikaner das Thema Bier neu aufrollten. Zurück in Deutschland gründete er 2003 in der historischen Mühle in Truchtlaching (unweit vom Chiemsee) die Fa. BrauKon und spezialisierte sich auf die Entwicklung und den Bau von schlüsselfertigen Brauanlagen.
"Durch den Craft Beer Boom hat sich BrauKon schnell weltweit einen Namen gemacht", berichtet Markus Lohner. "Unsere Anlagen stehen im Hofbräuhaus Shanghai, in der Stieglbrauerei in Salzburg oder auch auf der dänischen Insel Bornholm." Dabei fällt vor allem die Dichte der Craft-Beer Brauereien in den USA auf, die mit Technik aus Truchtlaching arbeiten. "Deutsche Brauanlagen und deutsches Bier haben in der ganzen Welt großes Ansehen", so Lohner, "nur bei den deutschen Brauereien ist das noch nicht so richtig angekommen." Dass sich das ändert, daran arbeitet er auf allen Ebenen.
Fünf Jahre nach dem Start errichtete BrauKon im oberen Stockwerk der Mühle ein Brau-Technikum als Forschungs- und Versuchsanlage. In der alten Mühle ging fortan so richtig die Post ab: Die Camba Bavaria Brauerei war geboren. Da wurden Bierspezialitäten aus der ganzen Welt nach deutschem Reinheitsgebot gebraut, mit der Reifung in alten Holzfässern experimentiert und vieles mehr gewagt – alles unter dem Leitsatz: "Das Besondere zu wahren und mit zeitgemäßen Variationen aus aller Welt verbinden!" Das Wort Camba stammt übrigens aus dem Keltischen und bedeutet "Braupfanne". Klingt gut und passt, da Truchtlaching einer Keltensiedlung entstammt.
Heute werden bei Camba Bavaria über 50 verschiedene Biere gebraut, vom traditionellen Weißbier bis hin zum im Cognac-Eichenholz gelagerten Imperial Stout, das einzigartig in Deutschland ist. Die Sorten wechseln, nicht alle sind ganzjährig verfügbar. Durch neue Innovationen werden fortlaufend weitere Bierspezialitäten gebraut, sodass sich das Sortiment fast im Wochenrhythmus vergrößert.
Das freut nicht nur die wachsende Zahl der deutschen und österreichischen Craft Beer Fans, regelmäßig hageln auch Preise und Auszeichnungen auf die Camba Bavaria hernieder. 2014 wurde die Baurerei beim ersten deutschen Craft Beer Award gleich als "Craft Beer Brauerei des Jahres" ausgezeichnet. 13 von 24 eingereichten Bieren der Brauerei wurden mit Medaillen prämiert.
Was Lohner in den USA gelernt hat: "Du kannst nicht einfach dein Bier hinstellen und drauf warten, dass es getrunken wird. Du musst es dem Gast nahebringen, einen Bezug zur Heimat und zum Bier herstellen. Anders gesagt: Du musst den Gast davon überzeugen, dass du ein Bier hast, das sein neues Lieblingsbier wird."
Das ist bei Camba Bavaria nicht nur Theorie, sondern gelebte Praxis. Lohner machte von Anfang an das, was er bei den Amerikanern gelernt hatte: Er ging auf die Kunden zu und lud sie zu Brauereiführungen, Bierverkostungen und Brauereifesten in die Mühle ein. Vernetzung und Austausch sind das A und O. Mehrmals im Jahr finden deshalb Brautage statt, zu denen namhafte Brauer aus der ganzen Welt nach Truchtlaching kommen. Es wird gefachsimpelt, experimentiert, gebraut... und fast nebenbei kommt ein einzigartiges Bier heraus.
Die kleine Brauerei lädt aber nicht nur zu sich ein, sie geht auch raus. So ist sie auf Festivals im In- und Ausland anzutreffen – von den Ottakringer Braukultur Wochen über die "Braukunst Live" in München bis zum Berliner Bierfestival. Kein Wunder also, dass sich Craft Beer Fans aus dem ganzen Land und aller Welt auf "Wahlfahrt" nach Truchtlaching begeben. Zumal es jetzt ja auch eine urige Brauereigaststätte gibt, in der ausgiebig im Biergenuss geschwelgt werden kann.
Seit das BrauTechnikum 2011 zur Gaststätte erweitert und mit langen Tischen und Doppelbänken ausgestattet wurde, finden im Innenbereich 120 Gäste Platz. Der Blick auf die kupferglänzenden Braukessel, dazu dieser herrliche Hopfenduft in der Luft ... Wer übernimmt noch mal den Fahrdienst? Weitere 100 Plätze gibt es auf der großen Terrasse mit Aussicht auf die Alz.
Die Alz spielt beim Erfolg der abgelegenen Gaststätte eine besondere Rolle, denn zahlreiche Gäste kommen per Floß zur alten Mühle! Der Anbieter der Alz-Floßtouren hat sein Angebot ein bisschen ausgeweitet, sodass die Floßgäste zur zweistündigen Floßfahrt die Brauereibesichtigung gleich mitbuchen können. "Die Fahrten werden von Juli bis Oktober angeboten", freut sich Lohner über die gelungene Zusammenarbeit.
Im Winter fallen die "Floßgäste" natürlich weg, auch die Touristen werden weniger. Darauf wurde mit einem wechselnden Sommer- und Winterprogramm reagiert. Von November bis März können die Räumlichkeiten vermehrt für Veranstaltungen gebucht werden. Dabei lautet ein besonderes Angebot an Brautpaare und Jubilare: "Auf Wunsch brauen wir ein ganz spezielles Hochzeits- oder Jubiläumsbier mit exklusiv erstellten Etiketten!" Wer solche Möglichkeiten hat, sollte sie ja auch nutzen.
Dass die Biervielfalt in der Braugaststätte im Vordergrund steht, ist logisch, aber auch hier hört Lohner auf die Wünsche der Gäste. "Obwohl wir 15 verschiedene Biere vom Fass anbieten und dazu über 30 Camba-Spezialitäten aus der Flasche, ist es immer noch so, dass mehr übers Essen als übers Bier erzählt wird", so Lohners Beobachtungen anhand der Kommentare und Bewertungen im Social Web. Ergo musste eine Lösung gefunden werden, wie trotz kleiner Küche groß aufgekocht werden kann. Wie schon erwähnt, die Gaststätte war nicht geplant... Die Lösung ist eine minimale Speisekarte und wechselnde Schmankerl-Essen, die am Vortag reserviert werden müssen. Dank dieser Kalkulationssicherheit und der Vorbereitungszeit reicht dann auch eine kleine Küche für viele Gäste aus.
Wichtigster Tag für die Bierfans von nah und fern ist der Samstag. An diesem Tag finden zwei offene Brauereiführungen statt, an denen auch Einzelpersonen ohne Gruppenzwang teilnehmen können. Vormittags ist ein Begrüßungsbier und Weißbierfrühstück inbegriffen, nachmittags eine Brotzeitplatte. Brauereiführungen machen viele, die Camba Bavaria erklärt es im Küchenmaßstab. Mit der Kaffeemühle und einem Bunsenbrenner wird der Brau-Prozess im kleinen Maßstab durchgespielt. "Das macht den Besuchern Spaß und so kommt am meisten rüber", erklärt Markus Lohner.
Für die richtigen Craft Beer Fans ist das natürlich Spielerei, sie können deshalb jeden dritten Samstag im Rahmen eines Brauerlebnistages richtig mitbrauen. 8 bis 9 Stunden dauert die Herstellung des Biersuds. Die Teilnehmer sind bei allen Brauphasen dabei, nur beim Läutern, wenn zwei Stunden so gut wie nichts passiert, wird die Zeit für einen Sensorikkurs genutzt. Da greift dann wieder die interne Verzahnung: Erst die Ausbildung beim Brauer, dann die Schulung vom Biersommelier, dazu Essen und Bier – alles unter einem Dach... Ach ja, einen Biershop – Camba Ladl genannt – gibt es auch. Hier können sich die Gäste mit bierigen Spezialitäten wie Biersalz oder Biersenf eindecken und natürlich mit gaaaanz viel Camba Bier, das in attraktiven Holzbiertragerln verkauft wird.
Damit die Gäste beim Blick in die umfangreiche Bierkarte nicht überfordert sind und nur das bestellen, was sie schon kennen, wird die erste Unsicherheit mit einem kleinen Begrüßungsbier überbrückt. Eines, versteht sich, das sich der Gast für den Anfang vermutlich nicht bestellt hätte, also kein Weißbier oder ein anderes typisch bayerisches Bier. Schon läuft das Gespräch übers Bier und die Bierkarte wird mit ganz anderen Augen studiert.
Eine große Hilfe, ein Bier nach seinem Geschmack zu finden, ist das Camba Bierheft, in dem die Biere anhand von kleinen Symbolen leicht verständlich beschrieben werden. Wie viele Bittereinheiten hat das Bier, welche Farbe, was nimmt die Nase wahr, wie schmeckt es im Antrunk und Nachtrank, welche Speisen empfehlen sich besonders zu dem Bier usw.
Dass sich der Gast nicht in der Karte verliert, dafür sorgt außerdem das geschulte Personal. Gerne kommt auch der Biersommelier an den Tisch und berät bei der Bierauswahl. So haben wir es auch im Tap House erlebt. Ende 2014 hat die Brauerei, die keine Gaststätte wollte, den Schritt nach München gewagt und mit dem Tap House ein zweites Gastronomie-Objekt eröffnet. Hier gibt es nicht nur die ganze Camba Vielfalt (ca. 5-8 Biere frisch vom Tap – Fasshahn), sondern Biere aus der ganzen Welt. Über 200 Sorten hat das Tap House ständig auf Lager.
"Wir holen Biere aus den USA, von Brauereien, die gar nicht nach Europa exportieren wollen", berichtet Markus Lohners stolz. "In vielen Fällen ist das nur eine Good Will-Geschichte." Sein Risiko ist es, richtig abzuschätzen, was die Gäste trinken wollen, um dann nicht auf den Paletten sitzen zu bleiben.
Hier wird über Bier geredet und sinniert – so unser Eindruck, als wir das Tap House an einem Samstagabend besuchten. Vor allem an der langen Theke, die sich L-förmig durch das ganze Lokal zieht und rund 30 Gästen Platz bietet. Und alles nur Männer? Nein, die Frauenquote im Tap House liegt überraschend hoch. In Truchtlaching gibt es so gar einen Frauenbierstammtisch, der sich regelmäßig zu Bierverkostungen trifft.
Frauen und Bier: Kein Thema? Es ist lediglich ein anderes Thema als für eingefleischte männliche Biertrinker. Wir haben im Tap House Frauen getroffen, die Bier eigentlich gar nicht mögen, allenfalls in Kombination mit Cola, aber z. B. begeistert sind vom Lambic Kirschbier der belgischen Brauerei Lindemanns. So kommen auch weibliche Gäste auf den Biergeschmack.
Neuester Streich der Camba Bavaria ist die Camba Old Factory in Gundelfingen. Mit einer eigenen Brauerei, einem Craft-Beer Shop mit nationalen und internationalen Bierspezialitäten, einem Schankraum und einem bayerischen Biergarten bietet die neue Location alles, was eine Craft-Bierwelt ausmacht.
Damit beenden wir erstmal die Geschichte von der Brauerei, die eigentlich keine Gastronomie wollte. Wer erleben möchte, welche Kraft und welches Potential Bier in der Gastronomie hat, sollte in Truchtlaching, München oder Gundelfingen vorbei schauen. Und wer den Weg nicht kennt: Einfach einen Craft Beer Liebhaber fragen!
Dieses Konzept ist erschienen im Gastronomie-Report 07/2015.
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