Auf der Straße liegt noch unerschlossenes Umsatzpotential. Anfangs wurden sie fast ein bisschen als moderne Asphalt-Cowboys belächelt, die mit ihren rumpelnden Food-Trucks in die Stadt einfallen. Ein Imbiss unterwegs im UPS-Transporter: Halt wieder so ein typischer Trend aus den USA, nichts Neues, nur neu verpackt... So mag es auf den ersten Blick aussehen. Tatsächlich hat sich das, was da auf vier Truckrädern unterwegs ist, zu einer eigenständigen und einträglichen Gastronomie-Sparte entwickelt.
Quereinsteiger Klaus Peter Wünsch gehörte 2010 mit zu den ersten "Food-Truckern" in Deutschland. Inzwischen hat der 44-jährige Franke zwei verschiedene Konzepte ins Rollen gebracht und ein Food-Trucker-Netzwerk geknüpft. Die ldee, "gesmokte Rippchen to go" aus einem Food-Truck zu verkaufen, kam dem gelernten Speditionskaufmann weder spontan noch aus romantischen Anwandlungen. Die Initialzündung gaben die himmlisch guten Ribs, die der amerikanische Schwager von Klaus Peter Wünsch auf dem Smoker zauberte. Es dauerte aber fast drei Jahre, bis Strukturen, Logistik und Prozesse so weit optimiert waren, dass er mit seinem "RibWich" starten konnte. Er tourte auch nicht gleich mit dem Truck los, sondern fing erst mal mit einem Verkaufszelt an.
Der Name setzt sich aus Rib und (Sand)Wich zusammen: Gesmokte Rippchen vom Knochen gelöst mit Barbecue-Sauce und verschiedenen Toppings (Zwiebeln, Sweet Relish, Jalapenos...) im frischgebackenen Bun als köstliche Mahlzeit auf die Hand. Bis dahin waren Rippchen Fleisch am Knochen, den man "abkiefen" musste, fettige Finger und ein soßenverschmiertes Gesicht inklusive. Also nichts, was man mal eben in der Mittagspause isst und schon gar nichts auf die Hand.
Dass die Franken seine Begeisterung für gesmokte Ribs teilen, zeigte sich schnell. Wünsch merkte aber auch, dass er die Arbeit nicht alleine packen konnte. Sein Freund und Footballkollege Peter Wolf stieg als Geschäftspartner ins RibWich- Business ein – ebenfalls ein Quereinsteiger, diesmal aus der lT-Branche. Anfangs half Wolf nur in seiner Mittagspause aus. Dann kam der Truck ins Rollen, aus dem Nebenjob wurde für beide ein Hauptjob und weitere Aushilfen wurden eingestellt.
Die Barbecue-Sauce bezieht RibWich direkt aus den USA. Wobei Wünsch erst mal eine große Probierrunde mit knapp 100 Leuten und 60 verschiedenen Saucen startete, um die perfekte Variante zu finden. Die weiteren Zutaten werden von regionalen Partnern produziert. Die Bäckerei Distler aus Schwabach (vom Magazin "Feinschmecker" als eine der besten Deutschlands ausgezeichnet) bäckt nach den Vorgaben die Buns und liefert diese täglich frisch an den Trucks aus.
Metzgermeister Gerhard Klenk bereitet die Rippchen vor. Das Fleisch wird mit einem speziellen RibWich-Rub mariniert, über Nacht bei niedrigen Temperaturen vorgegart und anschließend vom Knochen gelöst, wobei die Fleischfaser-Struktur erhalten bleibt. lm Truck findet dann die Veredelung im Smoker mit Hickoryholz statt, bevor das RibWich nach Gästewunsch belegt wird. "Man sieht und riecht es schon von Weitem, wenn der Hickoryrauch aufsteigt", lacht Wünsch. "Es ist für die Leute wie ein Signal, dass das Essen fertig ist. Dann kommen sie, um sich ein RibWich zu holen."
Das RibWich ist mehr oder weniger das einzige Produkt, das in den mittlerweile zwei Army-Freightlinern namens NEO 1 und NEO 2 (Nürnberger KFZ-Kennzeichen N-EO...) angeboten wird. Alternativ gibt es noch frische, gesmokte Putenwürstchen für Leute, die kein Schweinefleisch essen. Aber bei 100 Bestellungen sind 99 ein RibWich. Dieses gibt es wahlweise als Halbes oder Ganzes. Und wer in dem Bun zu viele Kohlenhydrate befürchtet, kann die Ribs auch als "Lowcarb"-Variante ohne Brötchen im Becher ordern. Das ist das ganze Angebot, und das ist laut Wünsch einer der Punkte, worin sich ein Food-Truck von einem Imbiss unterscheidet.
"Food-Trucks sind auf ein oder wenige frische Produkte spezialisiert, die vor Ort zubereitet werden", so Wünsch. Wir haben kein TK-Lager. Wenn wir ausverkauft sind, dann können wir nicht einfach Nachschub holen, dann ist Schluss. Das verstehen unsere Gäste auch." Dass es bei so einem reduzierten Angebot nicht langweilig für die Gäste wird, dafür sorgen täglich wechselnde Stellplätze. So kommt RibWich nur alle 2 Wochen vorbei und die Fans freuen sich schon drauf.
Und damit sind wir beim zweiten Unterschied zu einem Imbiss. Food-Trucks leben nicht von Laufkundschaft. Sie fahren vorrangig solche Gegenden an, in denen es kaum Mittagsangebote gibt, wie die lndustriegebiete am Stadtrand. "Wir kommen dann, wenn die Leute Hunger haben und sind nur in einem engen Zeitrahmen, etwa 2 bis 3 Stunden, vor Ort. Danach fahren wir wieder", berichtet Klaus Peter Wünsch. Gastronomen in der City können sich also ganz entspannt zurücklehnen, ihnen machen die Food-Trucks nur wenig oder nur selten Konkurrenz. Auch sonst machen Food-Trucks kaum jemandem Konkurrenz. Sie sind etwas Neues, das es vorher nicht gab, für hungrige Gäste, um die sich bislang niemand so richtig gekümmert hat.
Als Wünsch mit seinem Food-Truck-Konzept zur Stadt ging und nach zehn Stellplätzen fragte, die er abwechselnd anfahren wollte, tippte man sich an die Stirn. Eine monatsweise Stellplatzvermietung natürlich, aber eine wechselnde Nutzung mehrerer Stellplätze... NEIN. Das Gespräch mit der Stadt war schnell beendet. "lch hab' mir dann andere Partner gesucht, die den Food-Truck geil finden und auf ihrem Gelände haben wollen", berichtet er. "lnzwischen haben wir über 20 Locationpartner im Großraum Nürnberg, auf deren Privat- oder Firmengelände wir stehen können."
Von dieser Partnerschaft profitieren alle. RibWich hat kostenlose Stellplätze und macht indirekt durch die Veröffentlichung der Wochenfahrpläne und Postings auf Facebook (Wir sind heute hier!) Werbung für die Unternehmen. Die Firmen haben außerdem ein Mittagsangebot für ihre Mitarbeiter. Und die können sich regelmäßig auf ein leckeres RibWich freuen, wobei es teilweise sogar Prozente auf die Mitarbeiterkarte gibt. "Manchmal schlagen sogar ganze Familien bei uns auf, um ein RibWich zu probieren", freut sich Wünsch über den RibWich-"Tourismus".
Die Gästeansprache und Werbung läuft weitestgehend über Facebook. Dort wird der Wochenfahrplan veröffentlicht. Und wenn an einem Tag schon früher ausverkauft sein sollte, wird auch diese Nachricht schnell ins Netz geschickt. Es soll ja niemand umsonst kommen und enttäuscht werden. Irgendwann dachte Klaus-Peter Wünsch darüber nach, dass es ja auch noch andere Food-Trucker in Nürnberg bzw. in ganz Deutschland gibt. Man könnte sich doch vernetzen und den Gästen die Möglichkeit bieten, sich unter einer Adresse über die Food-Truck Standorte und Angebote zu informieren...
Damit war die Facebook-Seite "Food-Trucks in Deutschland" geboren. Im zweiten Schritt ging kurz darauf die Website foodtrucksdeutschland.de online. Sie informiert über die wachsende Streetfoodszene in Deutschland. Und der neueste Streich von Wünsch ist eine App, die deutschlandweit und in Echtzeit bei der Food-Truck-Suche hilft. Also: "Ich bin hier. Wo ist der nächste Food-Truck? Was bekomm ich dort zu essen und gibt es noch was?"
Rund 15 Food-Trucks gibt es inzwischen im Großraum Nürnberg. Damit hat die Frankenmetropole ganz klar die Nase vorn in dieser Gastro-Sparte. Da die Trucks alle unterschiedliche Produkte verkaufen, machen sie sich nicht wirklich Konkurrenz – eine perfekte Basis, um gemeinsame Events zu starten, wie das von Wünsch ins Leben gerufene Nürnberger "Food-Truck Round Up". Der Event findet alle drei Monate statt.
Ein Platz, rund 20 Food-Trucker aus Nürnberg, Gast-Trucks aus München, Salzburg... und mehrere tausend Besucher, die teilweise eine weite Anfahrt auf sich nehmen, um in Nürnberg was Gutes und Neues zu probieren. Irre, was da abgeht! Klaus Peter Wünsch ist überzeugt. "Jetzt geht's mit den Food-Trucks erst so richtig los, in den nächsten zwei Jahren wird da richtig Bewegung reinkommen."
lm Sommer 2014 ist Wünsch mit einem zweiten Food-Truck-Konzept ins Rennen gegangen, von ihm liebevoll als "Der Heimat-Food-Truck" deklariert. Wieder hatte er beim Essen eine Idee – diesmal bei fränkischem Schäuferla: So was Gutes, das müsste sich doch auch auf die Straße bringen lassen!
Nun geht also auch das Schäuferla zwischen zwei Brötchenhälften auf die Hand, zusammen mit Kloß & Soß und Sauerkraut oder Blaukraut und obendrauf das Krüstla – fertig ist das "Heimat-Weggla". Das gibt es wie das RibWich auch lowcarb ohne Weggla oder vegetarisch nur mit Knödel, Soße und Kraut. Und wie beim RibWich liefert die Bäckerei Distler die eigens kreierten Weggla aus Roggen- und Kartoffelmehl. Der Naturmetzger Seefried aus Abendberg macht das Schäuferla. Nach dem Garen wird das Fleisch in mundgerechte Bissen gezupft. So bleibt die Fleischfaser erhalten, wie es sich für richtiges Schäuferla gehört. Der neue "Heimat-Food-Truck" hat einen einfachen Namen, aber der sagt alles: Goud.!
Goud. ist übrigens einer der ersten Food-Trucks im Raum Nürnberg, der sich nicht an den Food-Truck Gerichten in den USA orientiert, sondern ein traditionelles Gericht der Region serviert! Kommen wir zum Schluss zu den Food-Truckern selber: Wie muss man für so einen Job beschaffen sein? Klaus Peter Wünsch beschreibt sich und seinen Partner als ideenreiche Leute mit einem Hauch von Abenteuerlust. Sollten wir diese jetzt geweckt haben, dann am besten einen Schnuppertag bei Klaus Peter Wünsch und Peter Wolf machen. Die beiden geben ihr Wissen gerne weiter und bieten Interessierten einen "Live-Day am Truck" an. Dabei merkt man schnell, dass ein Food-Truck Arbeitstag nicht nur 2 – 3 Stunden Essensgabe im Truck bedeutet, sondern auch viel Vor- und Nachbereitung.
Dieses Konzept ist erschienen im Gastronomie-Report 7/2015.
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