Leicht, bekömmlich, ungeheuer variabel – die asiatische Küche liegt voll im Trend. Man muss aber kein Chinese, Japaner oder Inder sein, um in Deutschland ein asiatisches Top-Lokal zu führen. Seit neun Jahren zählt das Mangostin Asia Restaurant zu den Spitzenadressen in München. Wie macht Patron Joseph Peter das? Was können Kollegen von ihm lernen?
Joseph Peters kleiner Sohn Florian schaut ein Bilderbuch an – nur dass dieses "Bilderbuch" keines mit Tieren und Blumen ist, sondern eigentlich eine Speisekarte. Wenn er mit Hingabe blättert und mit den Fingern auf den bunten Bildern herumtapst, wenn er begeistert "dadalaba" sagt, dann macht er eigentlich gar nichts anders als Joseph Peters begeisterte Gäste. Die bringen nämlich auch viel Zeit mit dem Bildchengucken zu, sie artikulieren sich allerdings etwas deutlicher als Florian!
Die aufwendige Menükarte im Mangostin setzt auf Visualisierung: Jedes Gericht ist abgebildet, sieht später auf dem Teller absolut identisch aus wie auf dem Bild. Jedes Gericht ist in einer Art Kurzrezeptur zusätzlich beschrieben und das erspart dem Gast unliebsame Überraschungen, was die Ingredienzien betrifft. Sensationell ist die Weinkarte, interessante New World Weine unterteilt in Rot und Weiß. Auch die Cocktail-Karte ist optisch so inspirierend, dass im Mangostin 40% des Beverage Umsatzes mit Cocktails gemacht wird! Und obwohl die Thaiküche traditionell eher Bier als Begleiter kennt, ist es doch ein Weinumsatz von 20%, der aufhorchen lässt. Joseph Peter setzt auf clevere Preisgestaltung: "Wenn man nur Weine um 70 DM auf der Karte hat, ordert der Gast maximal eine Flasche. Bei einem Wein zu 40 DM, trinkt er eine zweite — und der Wirt hat 10 Mark mehr verdient."
Die optische, zum Ordern verführende Unterstützung kommt ungemein gut an und passt genau in die asiatische Servicementalität. Der Asiate ist kein Verkäufer wie der Italiener, der wild gestikulierend empfiehlt, was die Mama gerade kocht. In dem Fall bedarf es gar keiner Karte. In Asien aber hat der Service zu dienen, ist zurückhaltend und der Gast bezieht seine Information aus der visualisierenden Karte. Die Idee ist nicht neu: In Japan präsentieren viele Restaurants ihre Gerichte in Glaskästen als lacküberzogene Demospeisen. Neu ist sie also nicht die Idee, aber authentisch und ihr liegt ein immenser Wissenstand um die gastronomische Region zugrunde.
Joseph Peter weiß aus seiner langjährigen Erfahrung, dass glaubwürdige Ethnoküchen nur dann funktionieren, wenn der Wirt sich wirklich intensiv mit dem Land, seinen Sitten, seinen Gebräuchen beschäftigt und mit den Küchenkniffen. Nur einfach Convenienceprodukten zu verwenden und eine asiatische Pfanne auf der Karte gleich unter dem Schweinsbraten aufzulisten, ist ein Bruch in einem Konzept und hat keine Chance auf Glaubwürdigkeit. Deshalb tun sich so viele "Italo-Inder" schwer, die gleichzeitig "Tellerminen" (Peterisch für Pizza), Pasta, Thaiküche, Chinasuppen und Indisches auf der Karte haben. Für "Home Delivery" mag das ja angehen, aber der kritische Gast kann solch einer Vielfalt einfach keine Kompetenz und Qualität zutrauen.
Wenn ein deutscher Wirt dennoch am Asien-Boom partizipieren will, dann sollte er das lieber erst einmal in kleinen Schritten versuchen: mit einer indischen Woche oder einem Thai-Weekend. Optimal für solche Projekte ist die Präsenz eines Gastkochs, denn der garantiert Kompetenz. Selbst im Mangostin werden immer wieder profilierte Gastköche aufkochen, weil das Abwechslung bringt und sich vor allem PR-mäßig verkaufen lässt.
Dazu ein klares Wort von Joseph Peter: "PR-Maßnahmen müssen ein Unternehmen ständig begleiten, vor allem dann, wenn es dem Unternehmen gut geht! Zu viele setzen erst dann auf PR, wenn sie mit einem verzweifelten Cliffhanger-Griff kurz über dem Abgrund schweben". Auch das hat etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun und mit Kontinuität: Das Mangostin gibt es seit neun Jahren, der kritische Punkt ist lang überschritten, denn schon nach rund sechs Monaten, wenn der Neuheiten-Bonus entfällt, kommt der "point of sales". Dann zeigt sich, ob das Konzept stimmig ist! Im Falle des Mangostins gehören viele Puzzle-Stückchen zum Konzept, das beginnt mit der Architektur. Joseph Peter würde sofort seine Glaubwürdigkeit verspielen, wenn er einfach nur ein "Asia-Restaurant" betreiben würde. Da die Küche des Ostens so vielfältig ist, muss auch architektonisch klar eine Grenze gezogen werden: Hier das japanische Restaurant, dort der Thai und last but not least das Colonial Department.
Thai, Indonesisch, Vietnamesisch – das ist doch alles das Gleiche, mag da der eine oder andere sagen und mit genau der Einstellung treibt man Joseph Peter zu verzweifeltem Stirnrunzeln. Immer wieder lautet seine zentrale Botschaft: Nur mit Wissenstand und auch Kenntnis der Historie kann man sich in die Küchen der Welt einfühlen und diese reproduzieren. Die malaysische, die burmesische, die indonesische Küche sind Küchen, die durch den Kolonialismus verändert wurden, die Thai Küche dagegen ist unverfälscht geblieben.
Ein Mann, der als Saisone' in der Schweiz begonnen hat, 78 nach Brüssel ging, 79-81 in Bahrein war, dann in Venezuela und 84-89 in Thailand lebte, hat natürlich einen anderen cosmopolitschen Background, aber an seiner Erfahrung können auch andere partizipieren: Das Mangostin veranstaltet Kochkurse (Grund- und Aufbaukurse), bei denen es um Theorie und Praxis geht. Gerade die Warenkunde ist immens wichtig, denn bei rund 120 auf dem Markt befindlichen Sojasoßen hat der Laie die Qual der Wahl. Entscheidungshilfe kann Joseph Peter geben, denn an sich kommt man mit sechs Soßen aus, es geht um's gewusst was, wozu, in welchen Mengen!
Die Auseinandersetzung mit Produkten ist ein zentrales Erfolgsrezept im Mangostin. Über seine Handelsgesellschaft in Bangkok importiert Joseph Peter fast alle Produkte selbst. Einmal pro Woche kommen Obst und Gemüse auf dem Luftweg nach München. Reis hingegen wird als Quota-Produkt über Broker bezogen. Fisch und Seafood spielt eine entscheidende Rolle im Mangostin, deshalb gibt's strenge Anforderungsprofile für Frischfisch: "Wir verwenden beispielsweise bei der Dorade Royal nur küstengefischte Tiere, die mit der Schnur gefischt wurden, nicht mit einem Schleppnetz. Sie werden sofort an Deck mit einem Nervenstich getötet. Die Tiere erleiden weniger Stress, schütten weniger Adrenalin aus, was entscheidend für die Fleischqualität ist. Beim Thunfisch, der ja bekanntlich in Schwärmen weite Strecken zurücklegt, haben wir einen Makler, der die Migration der Fische genau kennt. So kommt unser Thunfisch mal aus dem Oman, mal aus Mauritius, mal aus Neuseeland."
Und wie sieht es mit Convenience-Produkten aus? Dazu sagt Joseph Peter: "TK macht bei Krustentieren unbedingt Sinn. Frische Shrimps sind Augenwischerei, denn Shrimps sterben bereits in den ersten Minuten einen Stresstod. Besser, wenn sie am Temperaturschock sterben und als TK-Ware hier ankommen. Auch Sepiateile und Garnelen, die bereits geputzt sind, machen Sinn, denn allein das Putzen würde eine ganze Arbeitskraft erfordern."
Apropos Arbeitskraft; Auch da geht es um Authentizität: Die Köche haben eine Aufenthaltserlaubnis von drei Jahren und müssen dann ausreisen. Top-Köche aber, die nach Auslandserfahrung streben, findet Joseph Peter leicht, denn seine Kontakte nach Asien sind nach wie vor exzellent, in allen großen Hotels hat er Freunde sitzen, war er doch mal Trainer der thailändischen Köche-Nationalmannschaft. Auch das Servicepersonal kommt ausschließlich aus Asien, denn es wäre ein Bruch im Konzept, ein Affront gegen die Emotion, die moderne Gastronomie heute ausmacht, wenn ungarische Kellner Thai Küche servierten!
Joseph Peter ist am Abend hinter den Kulissen präsent, er ist aber nicht der Patron, der Hände schüttelt und Kunden begrüßt. Das passte auch gar nicht zum asiatischen Konzept und hat zudem noch eine Tücke: Wenn ein Restaurant zu stark personifiziert wird und der Chef ist ‚mal einen Tag außer Haus, sind die Gäste überzeugt, dass das Essen schlechter war, die Atmo gelitten hat, der Laden nicht so läuft! Noch ein Geheimnis von neun Jahren Mangostin: Es hat sich immer aus der Münchner Bussi-Gesellschaft und deren Sitten und Unsitten herausgehalten!
Neben dem Original Magostin gibt es in München auch das Mangostin Airport und das Magostin City.
Dieses Konzept ist im Gastronomie-Report 02/1998 erschienen.
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