Mut, Leidenschaft, Ideen & Disziplin

Fotos: Sket

Wie über tolle Konzepte berichten, wenn alle Betriebe geschlossen sind? Diese Krisensituation gibt uns die Möglichkeit, eine besondere Wirtspersönlichkeit zu Wort kommen zu lassen. Toni Sket aus Rosenheim hat im vergangenen Jahr sein 50. Jubiläum als Wirt gefeiert. Ans Aufhören denkt der 73-Jährige aber noch lange nicht. Von seinen Erfahrungen, seinen Ideen und seiner Tatkraft können gerade auch junge Wirtinnen und Wirte profitieren.

Es waren graue, triste und einsame Tage. Der Parkplatz von "Toni's Taxisstube" im Bayerischen Wald, der am Wochenende immer rappelvoll mit dicken Schlitten vom Opel Kapitän bis zu Mercedes-Limousinen gewesen war, war gähnend leer. Die Fahrverbote bedrohten die wirtschaftliche Existenz des jungen Wirts. An die Ölkrise im November 1973 musste Toni Sket in letzter Zeit öfters denken. Nur war der Spuk damals nach vier Wochen vorbei.

Aber eine Erkenntnis aus fernen Tagen ist geblieben: Nach einer tiefen Krise geht es auch schnell wieder bergauf.

Schließlich hatte der junge Wirt damals eine Geschäftsidee, die einzigartig war in Ostbayern. Die 5 A (Alles anders als alle Anderen), für die der Gastronomie-Report steht und die wir allen Gastro-Unternehmern ans Herz legen, hat Toni Sket perfekt umgesetzt. "Ich war in jener Zeit auf einem Exotentrip", erinnert er sich lachend. In seinem "ersten Spezialitätenlokal im Bayerischen Wald" gab es Froschschenkel und Weinbergschnecken. Mal standen geröstete Bienen auf der Speisekarte, mal Schildkrötensuppe oder Haifischflossensuppe. Über manche dieser Gerichte mag man heute die Nase rümpfen. Aber in den 1970ern haben die Leute gesagt: So was Verrücktes! Die Medien berichteten über den Exoten im Bayerischen Wald.

Toni Sket war in aller Munde und lockte eine gutbetuchte Klientel in sein Lokal. Stars, Sternchen und Wirtschaftskapitäne gaben sich "Toni's Taxisstube" die Klinke in die Hand.
Man muss sich halt was trauen, wenn man als Wirt auffallen und Erfolg haben möchte. Gut kochen und freundlich bedienen, können viele andere auch. Kurz gesagt: Frechheit siegt! Allerdings nur dann, wenn auch Fachwissen und Kompetenz dahinter stehen.
Toni Sket, ein gebürtiger Passauer, hat nach der Schule eine Lehre als Koch gemacht und später zusätzlich die IHK-Kellnerprüfung abgelegt. Aber früh festlegen wollte er sich nicht. So ging er für einige Zeit zum Bundesgrenzschutz und verdiente zusätzliches Geld als Kellner und Bergführer. Nebenher schmiedete er Pläne für den Traum von einem eigenen Lokal.
Dafür betrieb er, wie man heute sagen würde, Trendscouting. "Ich bin auf die ITB nach Berlin gefahren und hab' mir angeschaut, was die Länder aus aller Welt für kalte Buffets anrichten", erzählt Toni Sket. Eine andere Fundgrube für exotische Gerichte war Käfers Feinkosthaus in München.

All diese Impulse flossen in sein Start-up "Toni's Taxisstube" ein. Einer seiner Stammgäste war Hans Riegel, der Gründer des Haribo-Imperiums. "Der hat mich und meine Frau Anneliese dann nach Bonn eingeladen und mir einen Job als Hotelmanager angeboten", berichtet Toni Sket.

Nach kurzer Überlegung sagte das bayerische Wirtepaar zu. Die Gehaltsabrechnungen von damals hat er in einer Box aufgehoben. O-Ton Toni Sket: "Das Gehalt war unvorstellbar. Mit 26 war ich wahrscheinlich einer der bestbezahlten Hotelmanager in ganz Deutschland." Nach einigen Jahren zog es die Skets aber zurück nach Bayern. 1976 übernimmt das Wirtepaar des Restaurant "Zum Santa" in Rosenheim – bis 2004. Mit der Auer Brauerei wurde die Idee vom jetzigen Wirtshaus "Zum Johann Auer" geboren, in dem Toni und Anneliese Sket bis heute Wirte sind.
Wenn man sich einen idealen bayerischen Wirt backen könnte, würde das Ergebnis Toni Sket ziemlich nahe kommen. Und das hat auf den ersten Blick gar nicht mal so viel mit Branchenkenntnissen im engeren Sinn zu tun. Toni Sket ist ein begeisterter Sportler und war z. B. als Skifahrer für das Skiteam Bad Endorf als Profi aktiv. Seine letzten Europacup-Rennen ist er mit 45 Jahren gefahren. Dazu ist er begeisterter Schwimmer und Radfahrer und dem Eishockey seit Jahrzehnten zugetan.

In vielen Rollen

Toni Sket ist aber auch Trachtler aus Leidenschaft, Mitglied bei der Wasserwacht, spielt ein Instrument, glänzt als Laienschauspieler und engagiert sich im öffentlichen Leben seiner Gemeinde. Seit 40 Jahren organisiert er die Feste mit den Rosenheimer Partnerstädten Lazise, Briancon und Ichikawa (Japan) sowie seit der Wiedervereinigung auch in Thüringen. "Da haben wir allein in den vergangenen drei Jahren drei große Feste gemacht", erzählt Toni Sket. Oh, jetzt hätten wir fast vergessen, dass der umtriebige Wirt auch seit Menschengedenken der Chef aller Festlichkeiten in der Rosenheimer Fußgängerzone war.
Warum wir Euch das alles erzählen? Toni Sket macht das alles aus Leidenschaft und Begeisterung, nicht aus kühler Berechnung. Aber das Ergebnis dürfte klar sein: Jeder kennt den Toni. Jeder mag den Toni. Bei Hinz und Kunz steht er im Adressbuch drin. So einer – vor allem, wenn er zur CSU geht – wird in Bayern Minister, zumindest Bürgermeister – oder eben ein erfolgreicher Wirt.
Auf Neudeutsch würde man sagen: Toni Sket ist ein begnadeter Networker. Wer viele Leute trifft, kennt halt auch die richtigen. Ein alter Kumpel vom Grenzschutz, später sein Regisseur beim Laienschauspiel, war auch Hauptamtsleiter der Stadt Rosenheim. Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Das hat nichts mit Vettern-und Freundl-Wirtschaft zu tun. Wenn z. B. die Stadt Rosenheim wichtige, gar sicherheitspolitisch sensible Gäste hat, wählt man fürs Abendessen halt einen Gastro-Betrieb, dessen Wirt man kennt und vertraut. Wenn Besucher aus den Partnerstädten nach Rosenheim kommen, kehren sie natürlich bei dem Wirt ein, den sie auf tollen Festen kennengelernt haben ...

Die Bereitschaft, sich zu engagieren und auf Menschen zuzugehen, lernt man auf keinem IHK-Kurs und bei keiner Kochlehre. Wer mit einem tollen Konzept und hohem fachlichen Wissen in der Gastro-Branche Erfolg haben möchte, sollte sich ruhig vorher prüfen, ob er auch den "human factor" abdecken kann. Und wenn wir schon dabei sind: Hinter einem starken Mann steckt meist eine starke Frau und Partnerin. Toni und Anneliese haben 1972 geheiratet und sind bis heute ein prima Team – privat wie beruflich!
Das Wirtshaus „Zum Johann Auer" hat sich jedenfalls unter der Führung der Wirtefamilie Sket schnell zu einer Hochburg des gesellschaftlichen und geselligen Lebens in Rosenheim entwickelt. Und in Zeiten, in denen z. B. Firmenessen und -feiern kaum mehr stattfinden, können sich die Wirtsleute auf die Treue ihrer vielen Stammgäste und Stammtische verlassen.

Mit Leib und Seele Wirt zu sein, heißt aber noch lange nicht, Raubbau an seinem Körper zu betreiben. Bei Gastronomen, die 12 oder 14 Stunden am Tag arbeiten, gehört ein Burn-out fast schon zum Geschäftsrisiko. Dass Toni Sket nach 50 Jahren als Wirt und im Alter von 73 noch längst nicht müde ist, hat viel damit zu tun, dass er als begeisterter Sportler Disziplin gelernt hat und auf seinen Körper schaut. Sein Tagesablauf in Vor-Corona-Zeiten sah meist so aus: Um 6 Uhr morgens Frühstücken und Zeitungslesen, damit er weiß, was im Ort los ist. Dann ist die Büroarbeit dran: Reservierungen prüfen, Rechnungen und Bestellungen erledigen, etc. Danach geht's nach Bad Endorf zum Schwimmen und Saunen und hinterher ausgeruht und mit freiem Kopf in die Küche.
"Viermal in der Woche Sport, das brauche ich", so Toni Sket. Da lässt er sich nicht mal von Corona stoppen. Jetzt, wo die Therme in Bad Endorf geschlossen ist, geht's halt täglich aufs Rennrad. – Einmal am Tag, am besten zu einer festen Zeit, raus aus dem Hamsterrad Gastronomie: Das ist ein Vorsatz, den noch viel mehr Gastronomen umsetzen sollten.
Die große Pleitewelle in der Gastronomie ist zum Glück noch ausgeblieben. Aber gerade Gastronomen über 60, die ursprünglich noch einige Jahre weitermachen wollten, haben wegen Corona das Handtuch geworfen. Warum gibt Toni Sket, nach 50 Jahren als Wirt, immer noch keine Ruhe?
Die Antwort des 73-Jährigen: "Ich bin gesund. Ich hab' meine Freiheiten und kann alles machen. Mein Wirtshaus ist mein Wohnzimmer. Hier treffe ich jeden, hier bin ich mitten drin im Leben. Was soll ich denn sonst machen als eingefleischter Wirt? Ich könnte mir nix anderes vorstellen. Als gebürtiger Passauer weiß ich, dass die Bauern im Bayerischen Wald früher gesagt haben: Bis 86 kannst arbeiten, dann in Ruhe sterben."

Respekt vor so viel Mut! Sein Wirtshaus ist ein Pachtbetrieb, die Pacht von der Brauerei bislang nur gestundet. Wie es nach dem Neustart ausschaut, ist nicht klar. "Zumindest hab' ich mit meinem jungen Finanzberater meine Zahlen und die Buchführung gut im Griff", so Toni Sket.

Bei seinem ersten Antrag auf Überbrückungshilfe, den er vor einem Jahr gestellt hat, kam das Geld nach drei Wochen an. Auch der zweite Antrag im Herbst wurde schnell bewilligt. Die Novemberhilfe ist inzwischen auch eingegangen. Für den Dezember gab es bislang nur eine Abschlagszahlung.
Nicht zuletzt auf Drängen seiner Stammgäste hat er einen Abholservice eingerichtet, diesen aber inzwischen auf vier Tage (von Donnerstag bis Sonntag) beschränkt. "Sonst geht die Rechnung nicht auf", erklärt der Wirt. "Wenn wir es täglich machen, brauche ich zwei Hilfskräfte in der Küche. Das lohnt sich nicht."

Umweltpreis für Mehrwegkonzept

Von dem Wirt, der als junger Spund Exotenfleisch aus aller Welt verwendet hat, wollten wir noch wissen, wie er es denn heute mit der Nachhaltigkeit hält. Aber damit brauchen wir Toni Sket nicht zu kommen: "Als Chef der Feste in der Fußgängerzone hab' ich vor 25 Jahren, als kein Mensch über Nachhaltigkeit geredet hat, durchgesetzt, dass Schluss sein muss mit den Bergen an Pappbechern und Tellern. Alle waren damals dagegen, dass wir auf Mehrweggeschirr umstellen. Aber wir haben es trotzdem gemacht und sind hinterher mit dem Umweltpreis der Stadt Rosenheim ausgezeichnet worden."
Wer heute im Gasthaus "Zum Johann Auer" anruft und Essen zum Abholen bestellt, den fragt die Chefin Anneliese Sket: "Können Sie bitte ihr eigenes Geschirr mitbringen?" Viele Gäste halten sich daran. So wird jede Menge Abfall vermieden.
Und was passiert, wenn das Gasthaus wieder öffnen darf? O-Ton Toni Sket: "Da fällt mir bestimmt was ein. Vielleicht machen wir ein Standkonzept vorm Haus und laden alle Rosenheimer ein."
Das wird bestimmt ein Fest! Glückwunsch zum 50-jährigen Wirte-Jubiläum und alles Gute lieber Toni für die Zukunft!

Der Artikel ist in der Ausgabe 1/2/2021 des Gastronomie-Report erschienen.

zumjohann-auer.bayern