Strandkörbe, Iglus, Schäferwagen, Gastro-Fässer ... Im vergangenen Winter haben sich Gastro-Unternehmer vieles einfallen lassen, um ihre Biergärten und Freischankflächen ganzjährig attraktiv zu gestalten. Trotzdem liegen die meisten Biergärten in den Wintermonaten weiterhin brach. Wie man ungenutzte Flächen in ein Umsatzparadies verwandeln kann, zeigt das Feuerdorf in Wien. Mit einer ausgeklügelten Franchise-Strategie will dieses Erfolgskonzept jetzt auch Deutschland erobern.
Faszination Feuer! Dass man sich rund um die lodernden Flammen versammelt, gemeinsam isst, trinkt und feiert, das gehört zu den Urerfahrungen der Menschheit. Das Grillfieber, das die Bundesbürger in den vergangenen Jahren erfasst hat, hat hier seinen Ursprung.
"Wir bieten unseren Gästen ein Stück Entschleunigung in einer hektischen Zeit", so die Gründer des Feuerdorfes, Patrick Nebois und Hannes Strobl. "Jahrtausende lang sind wir viele Stunden ums Feuer gesessen und haben gegessen, getrunken, gelacht und diskutiert. Die Mythologie hinter diesem uralten Brauch, der sich durch alle Epochen und Gesellschaften zieht, begeistert uns noch immer. Denn auch heute ist doch nichts inspirierender, als mit der Familie, den besten Freunden oder Kollegen im Kreis um ein knisterndes Feuer zu sitzen, während saftiges Fleisch auf dem Grill brutzelt und duftendes Brot mit würzigen Saucen, knackiges Gemüse und belebender Wein herumgereicht werden."
Dieses Versprechen eines rundum gelungenen Gastro-Erlebnisses lösen die Feuerdorf-Macher jeden Abend aufs Neue ein. Das erste Feuerdorf wurde 2016 am Wiener Donaukanal als Eventlocation mit zehn Grillhütten für je acht bis 12 Gäste und einer zentralen Salettl Bar eröffnet – und schlug ein wie eine Bombe. Im Laufe der Jahre wurde das Konzept aufgrund der hohen Akzeptanz ständig adaptiert und technisch perfektioniert. Mittlerweile ist der Standort am Donaukanal um fünf weitere Grillhütten und zwei Eisstockbahnen gewachsen und lockt rund 33.000 Gäste während der Wintersaison von Oktober bis März an.
Ganz unabhängig von Corona ist Gastronomie ein Business mit vielen Variablen und Unbekannten. Wie viele Gäste kommen morgen? Wie viele Mitarbeiter brauchen wir? Wird das Wetter zu heiß, zu kalt, zu regnerisch? Jeder Gastronom kennt das: Mal stehen sich die Kellner ein Loch in den Bauch, mal kommen sie vor lauter Andrang kaum mehr hinterher. Mit viel Erfahrung und der laufenden Auswertung aller wichtigen Kennziffern und Parameter lässt sich der Geschäftsverlauf einigermaßen planen. Aber Gastronomie ohne Restrisiko ist kaum denkbar – oder?
Werfen wir einen Blick auf die Gäste, um zu verstehen, warum im Feuerdorf das unternehmerische Risiko gegen Null tendiert. Ein Geburtstag, eine Familienfeier stehen an, ein Examen soll begossen werden, Freunde haben sich zu einem Besuch angekündigt … Es gibt viele Anlässe, die gebührend gefeiert werden sollen. Also reserviert man am besten einige Wochen vorher eine Hütte im Feuerdorf. Die Reservierung erfolgt online, bei der Buchung wird eine Anzahlung fällig.
Wenn der große Tag gekommen ist, trifft sich die erwartungsvolle Gruppe in der zentralen Salettl Bar, wo sie ihr Hüttenwirt herzlich und mit ein paar flotten Sprüchen begrüßt. Bei einem Drink oder zwei werden die Gäste mit den Gepflogenheiten im Feuerdorf vertraut gemacht, dann geht's in die gebuchte Hütte.
Dort liegen die vorbestellten Grillspezialitäten bereit, der hütteneigene Kühlschrank ist prall gefüllt. Das Feuer wird entfacht, der Spaß beginnt. Die Grillspezialitäten sind so vorbereitet (Sous-vide-Verfahren), dass jeder Gast, auch ohne Grill-erfahrung, das „beste Steak seines Lebens" grillen kann. Um auf Nummer sicher zu gehen, kann auch ein Feuerdorf-Grillprofi dazu bestellt werden. Die "Hüttenwirte", wie die Kellner im Feuerdorf genannt werden, stehen den ganzen Abend lang auf Abruf zur Verfügung und achten darauf, dass jeder (Sonder-)Wunsch prompt erfüllt wird. Abgerechnet wird dann am Ende des Abends. Was das für das operative Geschäft bedeutet, dürfte Gastro-Profis längst klar geworden sein. Der Betreiber weiß im Vorfeld, wie viele Gäste an einem bestimmten Abend zu erwarten sind und welche Speisen sie zu sich nehmen werden. Das ermöglicht einen exakten Wareneinsatz und eine optimale Personalplanung. Die Anzahlungen stehen vorab als Cash-Vorschuss zur Verfügung und betragen ca. 150 Euro pro Hüttenbuchung. Darüber hinaus sorgt die ausgelassene Stimmung und die besondere Gruppendynamik dafür, dass die Gäste bei den Getränken ordentlich zulangen. "Die net-sales/guest, also der sogenannte 'average check' liegt bei uns im Hüttenbereich bei 61,85 Euro", erklärt Patrick Nebois. "Kostenseitig können wir die sogenannten 'Prime Costs' (Wareneinsatz und operative Personalkosten) mit rund 55% angeben. Der Gastrobenchmark liegt bekanntlich um die 70%."
Nicht nur die Zahlen stimmen, auch der kulinarische Genuss kommt garantiert nicht zu kurz. Das Motto im Feuerdorf lautet: "Nachhaltig und regional – wir grillen nur höchste Qualität." Dazu Patrick Nebois: "Das ist unser Credo, dafür brennen wir überall, wo ein Feuerdorf entsteht. Mit potenziellen F&B-Partnern wird überprüft, wie deren Produkte zum Feuerdorf passen und ob die Produktion, die Lieferwege und das Nachhaltigkeitskonzept hinter der Produktion unseren Kriterien entspricht."
Abgerundet wird das gastronomische Konzept durch einen Pavillon (Salettl-Bar) im Herzen des Dorfes. Dort ist einerseits wie bereits erwähnt der erste Treffpunkt für die Hüttenbesucher (und in vielen Fällen auch ihr letzter Treffpunkt auf einen Absacker vorm Heimgehen) und andererseits ein Platz mit Speisen à la carte für Gäste, die spontan ohne Voranmeldung vorbeikommen. Darüber hinaus kann hier auf Voranmeldung auch ein Buffet angerichtet werden für Gästegruppen, die nicht selber grillen wollen, z. B. bei Firmenfeiern in gehobenem Rahmen.
Aber wie bekommen Gastronomen zusätzliche Mitarbeiter für ein Feuerdorf? "Wir haben beste Erfahrungen mit Mitarbeitern gemacht, die keine oder nur wenige gastronomischen Erfahrungen haben", erzählt Geschäftsführer Patrick Nebois. "Der einzige wirkliche Profi, der unabdingbar ist, ist der Küchenchef. Das Grillgut muss so gut vorbereitet sein, dass selbst ein Tomahawk-Steak problemlos gelingt.
Unsere Gäste sollen sich schließlich wie Grill-Götter fühlen. Für den Service suchen wir dagegen kein ausgebildetes Fachpersonal, sondern freundliche Gastgeber, die eine positive Ausstrahlung haben und eine gute Stimmung verbreiten, sozusagen den Typ Skilehrer/in."
Die beiden Feuerdorf-Gründer wissen, wovon sie reden. Hannes Strobl ist tatsächlich ausgebildeter Ski- und Snowboardlehrer, kennengelernt haben sich die beiden in der Jugendzeit als talentierte und sehr erfolgreiche Handballer beim Verein Westwien. Patrick Nebois studierte nach der Matura Betriebswirtschaft, arbeitete anschließend u. a. als Sales Manager und machte sich vor rund zehn Jahren im Marketing- und Gastro-Bereich selbstständig. Hannes Strobl studierte Informatik, machte eine Ausbildung als Wirtschafts- und Vermögensberater, arbeitete als Sportreporter für den ORF und war ab 2002 vor allem als Eventmanager erfolgreich. Im Sommer 2015 meldete sich Hannes Strobl bei seinem alten Kumpel mit den Worten, er habe da eine Idee für ein gemeinsames Projekt, bei dem sie ihre vielfältigen Erfahrungen und Kenntnisse perfekt bündeln könnten. Witzigerweise hatten beide auf Reisen Erfahrungen gemacht, die in dem Konzept Feuerdorf mündeten. Hannes war im Frühjahr im Waldviertel mit einem Wohnwagen unterwegs gewesen. Es regnete ständig, es war kalt und windig. Auf einem der Campingplätze konnte er eine Hütte mieten, in der Feuer gemacht und gegrillt werden konnte. Dieser tolle Abend brachte ihn auf eine Idee …
Patrick Nebois hatte derweil Finnland bereist. "Ein wunderschönes Land, aber auch sehr einsam. Wir haben weite Strecken zurückgelegt, ohne eine Menschenseele kennenzulernen. An zwei Autobahnraststationen konnte man Hütten mieten und darin grillen", erzählt er. "Klar, ging mir durch den Kopf: Wär das nicht auch etwas für Österreich ...?"
Erst einmal recherchierten die beiden: War ihre Idee neu oder ein alter Hut? Es stellte sich heraus, dass es hie und da Orte mit einzelnen Grillhütten gab. Aber das, was ihnen vorschwebte, ein großes Dorf mit Grillhütten, war offenbar neu. In den folgenden Monaten steckten sie ihre Energie in die Umsetzung ihres Traums und er öffneten 2016 ihr erstes Feuerdorf in Wien.
Zurück in die Gegenwart: Jetzt steht die Expansion des Feuerdorfs über die Grenzen an. "Unser Baby ist erwachsen geworden und schreit danach, in die weite Welt hinausgetragen zu werden", so das Duo Nebois & Strobl. "Wir haben ein ausgefeiltes Franchise-System entwickelt und stehen mit unserer Feuerdorf International GmbH bereits in Verhandlungen mit potenziellen Partnern."
Bei möglichen Standorten ist wichtig:
Die Hütten und Außenanlagen werden vom Franchise-Geber geliefert und aufgebaut. "Nach einer durchschnittlichen Bauzeit von drei bis vier Wochen (ab Vorliegen sämtlicher Genehmigungen der Behörden vor Ort) übergeben wir ein schlüsselfertiges Feuerdorf", so Patrick Nebois. "Bei Bedarf liefern wir auch Container für sanitäre Anlagen und andere Infrastrukturen dazu. Wird das Feuerdorf an einem bestehenden Gastro-Betrieb angedockt, entfallen natürlich diese zusätzlichen Investitionen."
Was Franchise-Nehmer mitbringen sollten? Als wichtige Kriterien nennen die Feuerdorf-Gründer: Führungsqualitäten, hohe soziale Kompetenz, unternehmerisches Denken und Entscheidungsvermögen, betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Eigenkapital von mindestens 350.000 Euro (davon 200.000 Euro in bar oder in liquiden Vermögenswerten), Kooperationsfähigkeit und natürlich eine geeignete Immobilie bzw. einen geeigneten Standort.
Schlusswort von Nebois und Strobl: "Wir verkaufen nicht Essen & Trinken. Wir verkaufen ein Erlebnis. In unserer Planung sehen wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren weitere zehn bis 15 Feuerdörfer außerhalb Wiens entstehen!" Was deutlich geworden sein dürfte: Auch wir sind seit unserem Besuch in lustiger Gruppe Feuer und Flamme fürs Feuerdorf.
Das ist keine langweilige Konfektionsware, die stets gleich aussieht. Das ist ein spektakulärer Maßanzug, hinter dem ein ausgeklügeltes System steckt. Es kann im Winter betrieben werden oder als Ganzjahres-Betrieb. Es lässt sich in Corona-Zeiten umsetzen (weil die einzelnen Gäste-Gruppen unter sich bleiben) und wird der Hit, wenn Feiern wieder ausdrücklich erlaubt ist. Das Ambiente kann ebenso den regionalen Besonderheiten angepasst werden wie das F&B-Angebot – von edlen Steaks über feines Gemüse bis hin zu veganen Leckerbissen. Hier kommt einfach jeder Gast auf seine Kosten und der Wirt auf erfreuliche Umsätze.
Allein im Großraum München fallen uns auf Anhieb erfolgversprechende Locations ein – von großen Biergärten bis hin z. B. zum im Winter ungenutzten Tollwood-Gelände im Olympiapark. In anderen bayerischen Metropolen dürfte es nicht anders aussehen. Wir sind jedenfalls schon gespannt, wer als erster ein Feuerdorf in Bayern eröffnet.
Der Artikel ist in der Ausgabe 1/2022 des Gastronomie-Report erschienen.
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