Ein Lokalname aus der griechischen Mythologie, eine Speisekarte nach dem Izakaya-Prinzip, Bioland-Gastronomie-Partner quasi seit dem Eröffnungstag, Wirtsleute, die bei ihrem ersten Betrieb ambitioniert auf Nachhaltigkeit setzen – und das alles nicht in einer pulsierenden Metropole, sondern im eher beschaulichen Landsberg. Es gibt viele gute Gründe, sich das Restaurant GAIA näher anzuschauen.
Hotel & Restaurant Schwarzer Bock, Schlosshotel & Gasthaus Blumenthal, Gaststätte Eselscheune ... Es gibt 25 Bioland-Gastronomie-Partner in Bayern. Auf die Idee, das Lokal nach einer griechischen Göttin, und zwar der "Mutter Erde" zu nennen, sind nur Theresa Rohrmoser und Daniel Höfler gekommen. Auf der Website heißt es kurz und bündig: "GAIA steht für BIOLOGISCH | REGIONAL | NACHHALTIG. Wir sind das erste bio-zertifizierte Restaurant und der erste Bioland Gastronomiepartner in Landsberg, und darauf sind wir stolz."
Die Speisen, die auf der Karte zu finden sind, sind selbstgemacht und frisch zubereitet. Klassiker der bayerischen Küche sucht man vergebens. Bei unserem Besuch gab es abends u. a. Edamame, Tempura Gemüse und karamellisierten Schweinebauch. "Izakaya ähnelt dem Tapas-Prinzip", erläutert Geschäftsführer Daniel Höfler. "Die kleinen Portionen werden in die Mitte des Tisches gestellt, damit sich die jeweilige Gästerunde die Speisen teilen kann. Alle Gäste werden vor dem Bestellen gefragt, ob sie zum ersten Mal da sind. Neuen Gästen wird das Prinzip erklärt, damit sie je nach ihrem Appetit die richtige Wahl treffen können." Einzige klassische Hauptspeise war bei unserem Besuch Miso Ramen in drei Varianten (vegetarisch, mit Fleischbrühe, mit Schweinebauch).
Wer kann sich in Landsberg "teure" Bio-Küche leisten? Mehr Gäste als man denkt. "Dass Bio im Einkauf viel teurer ist als konventionelle Zutaten, ist ein Vorurteil", so der engagierte Wirt. "Kollegen, die auf Billigangebote stehen, meine ich jetzt nicht. Aber wer seinen Gästen Qualität bieten will und sich umschaut, kommt bei Bio nicht viel teurer weg, vor allem, wenn die Küche nicht zu fleischlastig ist."
Der gebürtige Landsberger hat spannende Jahre hinter sich. Aus Liebe zum Kochen begann er eine Kochlehre in Landshut und brach diese wie viele andere junge Leute angesichts der Zustände in so manchen deutschen Gastro-Küchen enttäuscht ab. Es folgte ein Jahr Australien, wo er ganz neue kulinarische Erfahrungen sammelte. Nach der Rückkehr absolvierte er eine erfolgreiche Ausbildung beim Staudenwirt in Finning.
"Danach zog ich als Freelancer durchs Land", erzählt Höfler. Sozusagen als Koch-Feuerwehrmann deckte er in Restaurants Spitzenzeiten ab und lernte eine Reihe erfolgreicher Konzepte kennen – bis Corona kam. In den Lockdowns wurden Freelancer in der Küche nicht mehr benötigt. Dann traf er im Januar 2021 auf einer Baustelle Theresa Rohrmoser.
"Meine Oma hatte immerhin eine Wirtschaft, mein Vater war Koch", erzählt die GAIA-Mitgesellschafterin lächelnd. Sie hat eine Hotellehre gemacht und war anschließend höchst erfolgreich im Eventmanagement tätig. Aber in den Corona-Lockdowns waren Eventprofis nicht mehr gefragt.
Was jetzt kommt, klingt mehr wie ein Märchen aus der griechischen Mythologie als nach rauer Gastro-Realität. In Landsberg hatte das Duo, das sich vorher nicht gekannt hatte, einen Termin mit dem Besitzer eines wunderschönen denkmalgeschützen Hauses in 1A-Gastro-Lage (nahe der Lech-Kaskaden), der gerade dabei war, das bestehende Lokal von Grund auf zu sanieren und neu einzurichten. Dieser stille Teilhaber des GAIA, der nicht im Rampenlicht stehen möchte, wollte keinen erfahrenen Gastro-Profi, der noch ein zweites, drittes oder viertes Lokal eröffnet. Er wollte auch kein bayerisches Wirtshaus, sondern ein innovatives Konzept für Landsberg.
"Das war unsere Chance", so Theresa Rohrmoser und Daniel Höfler. "Wir hatten die Vision von einem nachhaltigen, bio-zertifizierten Konzept und von einer Art asiatischen Küche mit bayerischen Zutaten." Mit dieser radikalen Haltung rannten sie offene Türen ein, die Chemie stimmte, ein Erfolgstrio war geboren.
"Wir sind vermutlich der einzige Bioland-Gastronomie-Partner, der praktisch seit der Eröffnung Anfang Juli 2021 diese Auszeichnung führt", sagt Daniel Höfler schmunzelnd. "Okay, die Küche musste natürlich nach dem Start bio-zertifiziert werden, aber ansonsten haben wir bereits im langen Lockdown alle Hausaufgaben erledigt." Das Bioland-Gastroteam unter der Leitung von Sonja Grundnig, das in Augsburg beheimatet ist, war kompetenter Ansprechpartner und unverzichtbarer Helfer. "Wir sind persönlich vor Ort beraten worden. Wir konnten an kostenlosen Online-Seminaren und Schulungen teilnehmen. Wir bekamen wichtige Kontaktadressen und sind im Vorfeld der Zertifizierung perfekt unterstützt worden", erzählt Theresa Rohrmoser. "Wir sind dem Bioland Gastro-Team wirklich dankbar dafür.
Bioland bietet für die Gastronomie ein dreistufiges Auszeichnungssystem. Der Einstieg ist ab 30% Bio-Anteil (Bronze) möglich. Das GAIA ist von Anfang mit Goldstatus (ab 90% Bio-Anteil) dabei. "Dabei hat uns geholfen, dass unsere Gäste Unmengen Bio-Kaffee mit Bio-Milch und bei alkoholischen Getränken am liebsten Bier trinken", so Daniel Höfler lächelnd, "und wir starke Bioland-Partner wie das Riedenburger Brauhaus haben."
Nicht nur in Sachen Nachhaltigkeit und Kulinarik ist das GAIA ein Schmuckstück. Die Wand hinter der langen Bar ist beispielsweise 600 Jahre alt und Teil der Original-Stadtmauer. Dazu verfügt das Lokal über unterschiedliche Bereiche: Hochtische im Barbereich für eiligere Gäste, wunderschöne Gewölbe für längeres Verweilen, hinter der Bar Tische mit Blick auf die offene Küche, im 1. Stock einen exklusiven Raum (den "Salon") für Tagungen oder Familienfeste und vor dem Haus einen Biergarten und Freischankflächen nahe des Lechs. Insgesamt stehen draußen 120 Sitzplätze und drinnen 80 Plätze zur Verfügung.
Aber auch bei märchenhaften Geschichten gibt es Hindernisse. Die Küche und Lagerräume sind knapp bemessen und waren ursprünglich für ein anderes Konzept gedacht. „Dass wir hier zwischen 150 und 250 Essen pro Tag rausbringen, grenzt an ein Wunder", so Daniel Höfler.
Das in Landsberg übliche Preisdumping beim Mittagstisch macht das GAIA nicht mit. Die Macher haben sich etwas anderes einfallen lassen. "Die Leute hier sind gern am Lech, deshalb öffnen wir werktags ab 9 Uhr und am Sonntag ab 10 Uhr und bieten Frühstück bis 14 Uhr", erzählen die Wirtsleute. Zum Mittag hin werden zusätzlich kleine Gerichte per Tafel angekündigt. Abends kommt dann das Izakaya-Prinzip zum Tragen.
Erst wenn im Spätherbst der Biergarten schließt, bleibt in der beengten Küche mehr Zeit zum Kochen. "Dann ist die Chef's Choice der Renner", erzählt Daniel Höfler. "Früher nannte man das Überraschungsmenü. Unsere Gäste nehmen das Angebot zu Entdeckungsreisen in unsere Bio-Küche gerne an."
Über mangelnden Zuspruch kann sich das GAIA nicht beklagen. "Am Anfang hat uns sicher geholfen, dass die Landsberger gespannt waren, was an diesem traditionsreichen Gastro-Standort passiert. Da hat die Neugier das Lokal gefüllt", so Theresa Rohrmoser. Aber viele Gäste sind halt nicht einmal gekommen, sondern immer wieder. „Wir haben ein bunt gemischtes Publikum. Da sind alle Altersgruppen vertreten, junge Mütter mit ihren Kindern genauso wie Schlipsträger", so Daniel Höfler. Das GAIA ist ein klasse Beispiel, dass eine innovative Bio-Küche mit vielen vegetarischen und veganen Speisen in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.
Auf viele Facetten können wir an dieser Stelle gar nicht eingehen und einen Kollegenbesuch im GAIA nur empfehlen. Noch ein letztes Beispiel für die kompromisslose Nachhaltigkeit: Im GAIA hat man nicht auf die staatlich verordnete Mehrweg-Angebotspflicht ab 2023 gewartet. "Bei uns gab es von Anfang an keine Einweg-to-go-Geschichten", so Daniel Höfler. Wir haben uns für das Pfandsystem von RECUP/REBOWL entscheiden und sind der Stadt sehr dankbar, dass sie diese Mehrweg-Lösungen fördert und Landsberg eine RECUP-City geworden ist. Je mehr Lokale dasselbe System bieten, umso einfacher ist es für die Gäste."
Wir sind immer wieder begeistert, wie vielfältig die bayerische Gastro-Landschaft ist. Im letzten Heft war unser Konzept der "Schnitzel"-Markengastronomie HeimWerk gewidmet, die ebenfalls für nachhaltiges Wirtschaften steht. "Schnitzel haben wir ganz selten auf der Speisekarte", sagt GAIA-Wirt Daniel Höfler schmunzelnd, "und wenn, dann als Sellerie-Schnitzel."
Der Artikel ist erschienen in der Ausgabe 7/2022 des Gastronomie-Report.
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